Giessener Burschenschaft Wartburg
Giessener Burschenschaft Wartburg

Unsere Geschichte

Die Studenten, die sich im Sommer 1946 an der damaligen "Hochschule für Bodenkultur und Veterinärmedizin" immatrikulieren konnten, waren alle durch persönliche Kriegserinnerungen und ihr fachliches Interesse an der landwirtschaftlichen Urproduktion geprägt. Mittellos und der Not zum Improvisieren und Organisieren gehorchend, schlossen sie sich zu kleinen Freundeskreisen zusammen, so auch die Gründer der späteren GB Wartburg. Letztere kamen über Gießener Abiturienten und deren Väter bzw. Verwandte in Kontakt zur Altherrenschaft der Gießener Burschenschaft Alemannia. Diese hatte ihr von den Nazis enteignetes Verbindungshaus wieder zurückerhalten, suchte jedoch studentischen Nachwuchs. In Anbetracht der jüngsten Vergangenheit kamen beide Seiten bald überein, sich zusammenzuschließen und ein studentisches Gemeinschaftsleben in neuen Formen zu gestalten, zugleich aber die für gut befundenen Traditionen zu bewahren. Die anfangs nur als studentischer Freundeskreis existierende Gruppe stellte folglich im Wintersemester 1948/49 beim Senat den Antrag auf Lizenzierung der "studentischen Verbindung Alemannia" und wurde zugelassen. Sehr bald ergaben sich jedoch Meinungsunterschiede zwischen restaurativ gesonnenen Alten Herren und der nach neuen Formen strebenden Aktivitas; die betrafen z. B. die Ablehnung der Mensur und die Abkehr vom Nationalismus. Die jungen Leute waren im Kriege in ein System aus Befehl und Gehorsam eingespannt, sie hatten unzählige Male ihren Mut bewiesen und waren daher nicht bereit, Mensuren zu schlagen oder alle Weisungen der Alten Herren zu befolgen. Exakt am 28. Juli 1951, dem 90. Stiftungsfest der "Alemannia", kam es zum Zerwürfnis. Die Aktiven gaben sich einen neuen Namen und verzichteten damit auf günstiges Wohnen, Mittagstisch und finanzielle Hilfen – in jener Zeit unschätzbare Werte. Am 20. Mai 1952 gründeten sie die Gießener Burschenschaft Wartburg mit den Farben der Urburschenschaft von 1815 „Schwarz-Rot mit goldener Umrandung“ und gaben sich eine neue Satzung.

Die ersten Jahre waren in vielfacher Hinsicht Jahre der Suche. Wegen des Fehlens eines Verbindungshauses fanden die Konvente in einem Gasthof statt, zum Mittagessen traf man sich regelmäßig an einem bestimmten Tisch in der Mensa. Die Gespräche betrafen oft unsere Beziehungen zum Verband "Deutsche Burschenschaft", der sich in jenen Jahren wieder formierte und überholte Traditionen zu übernehmen begann. Die GB Wartburg trat daher 1954 aus diesem Verband aus, da sie, unter anderem, die "Pflicht-Mensur" ablehnte. Zugleich nahm sie Kontakte zu gleichgesinnten Verbindungen an anderen Universitäten auf mit dem Ergebnis, dass die GB Wartburg bis zum heutigen Tage keinem Verband angehört.

Bereits 1957 konnte die junge GB Wartburg in der Straße "Am Zollstock" ein Grundstück mit Bauarbeiter-Baracke anmieten und später kaufen. Die Aktivitas übernahm die Pflege des Gartens und den Ausbau des Hauses, die Altherrenschaft trug die Finanzlast. Es entstanden drei einfache "Studentenbuden" und ein Conventsraum. Hier wurde manch hitzige Debatte über Inhalt und Gestaltung des Bundeslebens, über Prinzip und Grenzen der Toleranz, über die Aufnahme von FH-Studenten oder auch von Studentinnen etc. geführt, aber auch manche Feste gefeiert.

In den 70er Jahren führten persönliches und berufliches Vorwärtsstreben einerseits und eine zunehmende basisdemokratische Ausrichtung von Studentenparlament und ASTA andererseits zu einem massiven Desinteresse der Studentenschaft an der Hochschulpolitik; die Wahlbeteiligung lag oft unter 20 %. Darüber hinaus sank allgemein das Engagement für Gruppen jeglicher Art. Gleichzeitig polemisierte die politische Linke gegen die traditionellen Studentenverbindungen, insbesondere gegen die Schlagenden. Die GB Wartburg blieb von dieser allgemeinen Entwicklung nicht unberührt. Da die Altherren-Schaft wusste, wie wichtig eine Solidargemeinschaft ("Lebensbund") für die Bildung der Persönlichkeit ist, weil sie neue Mitglieder für diese Gemeinschaft gewinnen und die Wohnungsnot der Studenten lindern wollte, entschloss sie sich zu handeln. Ende 1980 verkaufte sie den größeren Teil des Grundstücks und baute auf dem kleineren Teil ein studentisches Wohnheim, das Ende 1983 eingeweiht werden konnte. Damit war für die jeweilige Aktivitas ein Treffpunkt geschaffen, in dem man gemeinsam mit anderen Studenten Erfahrungen sammeln konnte und noch immer kann. Dieser Treffpunkt wird von den älteren Bundesbrüdern – den Alten Herren – getragen. Leben und Treiben der Aktivitas wechseln verständlicherweise mit den Studiengenerationen. Es muss sich jedoch stets an unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung orientieren, sollte jedoch auch kritisch gegen den Zeitgeist sein, Traditionen überprüfen und engagiert die Herausforderungen der Zukunft analysieren, definieren und anpacken.

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